Vielfältige Pflanzenwelt im Waldgebiet Hulmen

Von Berit Bethke und Edith Hermann

Die letzte Winti-Scouts-Exkursion in diesem Jahr führte uns auf den Hulmen, mit 687 Metern die höchste Erhebung der Stadt Winterthur. Trotz anfänglichem Regen reisten 15 Frauen und Männer an, um mehr über die Pflanzenwelt im Waldgebiet Hulmen zu erfahren.  Geleitet wurde die Exkursion von Edith Hermann aus Aadorf, die schon über 100 botanische Exkursionen durchgeführt hat. Sie verfügt über ein enormes Wissen zu vielen Pflanzen und hat die Teilnehmenden mit vielen interessanten Informationen zu den einzelnen Arten überrascht. Begleitet wurde Edith von Berit Bethke, die derzeit die Feldbotanik-Ausbildung bei Birdlife Zürich absolviert und sich in ihrer Freizeit seit vielen Jahren mit Wildkräutern und Ökologie beschäftigt.

Die Gruppe traf sich am Brunnen von Eidberg, am südöstlichen Hang des Hulmen. Erste Station war ein stattlicher Zierapfelbaum in einem nahegelegenen Bauerngarten. An diesem Baum erklärte Edith Hermann die Befruchtung von Apfelbäumen. Zierapfelbäume dienen als Befruchter für Niederstammsorten, die in Plantagen meist in Monokultur angebaut werden. Das Exemplar in Eidberg besticht durch seine erstaunliche Grösse, die auf ein stolzes Alter schliessen lässt. Die Teilnehmenden bekamen hier einen kurzen Exkurs zum Obstanbau, bevor die eigentliche Exkursion am Waldrand begann.

Auf dieser Exkursion lernten die Teilnehmenden verschiedene Lebensräume im Wald kennen. Solche Lebensräume sind zum Beispiel Pflanzengesellschaften, die sich einen gemeinsamen Standort teilen. So gibt es mehr oder weniger feuchte, helle oder schattige, nährstoffreiche oder -ärmere Standorte. Besonders die Feuchtigkeit, aber auch der Kalkgehalt des Bodens lassen Rückschlüsse darauf zu, welche Pflanzenarten an bestimmten Stellen im Wald wächst.

Auf dem Hulmen finden sich Waldmeister-Buchenwälder und Waldhirsen-Buchenwälder sowie Zahnwurz-Buchenwälder. Zudem gibt es auch Orchideen-Standorte. Auf den städtischen Flächen werden lichte Wälder sowie Eibenbestände gefördert.

Den ersten Lebensraum, den die Teilnehmenden genauer unter die Lupe nahmen, war der feuchte Krautsaum. Ein sehr häufiger Lebensraum in den Wäldern des Mittellands. Hier auf dem Hulmen ist er geprägt von den hohen Stauden des Gewöhnlichen Wasserdosts (Eupatoria cannabinum). Der Wasserdost bevorzugt feuchte und nährstoffreiche Böden. Auf dem Hulmen findet er an vielen Stellen optimale Bedingungen. Der Gewöhnliche Wasserdost gedeiht als Pionierpflanze nach dem Auslichten neben Acker-Kratzdisteln (Cirsium arvense), Stechendem Hohlzahn (Galeopsis tetrahit), Grossen Brennnesseln (Urtica dioica) und dem Grossen Springkraut (Impatiens noli-tangere).

Krautsäume sind wertvolle ökologische Flächen: Allein der Gewöhnliche Wasserdost bietet Nahrung für 45 verschieden Schmetterlingsarten. Eine gefährdete Falterart ist mit der Pflanze so eng verbunden, dass sie sogar seinen Namen trägt: die Wasserdost-Goldeule. Die Raupen dieses Nachtfalters ernähren sich von den Blättern der Pflanze. Zahlreiche andere Insektenarten laben sich am Nektar und den Pollen des Korbblütlers.

Auch das Grosse Springkraut ist eine wertvolle Futterquelle für Insekten. Es ist das einzige einheimische Springkraut. Mit seinen grossen, gelben Rachenblüten ist die strauchige ca. ein Meter hohe Pflanze gut zu erkennen. Im Volksmund wird sie auch Rühr-mich-nicht-an genannt. Bei Berührung schleudert sie ihre Samen aus den Fruchtkapseln und kann dabei Flugbahnen von bis zu sieben Metern erreichen. Im krautigen Waldgrund finden Insekten, Vögel und andere Tiere Nahrung und Unterschlupf. Doch diese Flächen brauchen regelmässige Pflege, damit sie nicht verbuschen (Sukzession). Hier am südlichen Teil des Hulmen kümmert sich Stadtgrün Winterthur um die Pflege. Dazu gehört auch die Bekämpfung von invasiven Neophyten. Ein einigen Stellen trifft man auf das kleine Springkraut und die Riesen-Goldrute.

Nachdem die Krautschicht in Augenschein genommen wurde, gleitet der Blick hinauf zu den Baumkronen. Zunächst jedoch lieferte Edith eine interessante Beobachtung zur Europäischen Stechpalme. Im unteren Bereich bis zu einer Höhe von 1,5 bis 2 Metern sind die Blätter sehr stachelig. Die oberen Blätter sind jedoch kaum bewehrt. Die lässt vermuten, dass sich die Pflanze so gegen Verbiss schützt. Zudem erfahren die Teilnehmenden, dass Stechpalme männliche und weibliche Individuen hervorbringt, ebenso wie der Sanddorn, den die Gruppe auf dem Weg zum Hulmen in einer Hecke am Feldrand betrachtet hat.

Eine dominante Art in den Wäldern des Mittellandes ist die Rotbuche (Fagus sylvatica). Die Exkursionsteilnehmer erfahren, dass sie mit der Edelkastanie verwandt ist und die Hagebuche (Carpinus betulus) wiederum zur Familie der Birken gehörte. Auch bei Bäumen ist es mitunter kompliziert. Bucheckern sind roh leicht giftig, wurden jedoch zu Notzeiten gegessen. Holz wird für Böden, Spielwaren und Brennholz genutzt. Die Holzasche ist wichtige Stoff der Glasindustrie und wurde früher zum Waschen genutzt. (Aschelauge).

Wo Buchen wachsen, kommen auch oft die Gemeine Esche (Fraxinus excelsior) vor. Feuchte Standorte teilt sich die Eschen auch häufig mit dem Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus) und der Berg-Ulme. Die Esche ist der höchste heimische Laubbaum. Seit den 1990-er Jahren schrumpfen jedoch die Bestände, dass die unter der Pilzkrankheit, der so genannten Eschenwelke, leidet. Eschen haben vor allem für den Schutzwald Bedeutung, da sie stabilisieren rutschgefährdete Hänge und Ufer.

Auf dem Weg zur Spitze des Hulmen wachsen zahlreiche Fichten. Natürlicherweise kommt die Fichte in Höhenlagen ab 900 m.ü.M. vor. Aus fortwirtschaftlichen Gründen werden Fichten seit vielen Jahrzehnten in tieferen Lagen angebaut. Heutzutage leidet die Fichte unter der zunehmenden Hitze und Trockenheit. So dürfen die feuchten Krautsäume am Waldrand nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Folgen der rasanten Klimaveränderung auch in den heimischen Wäldern spürbar sind.

Wesentlich besser mit der Trockenheit kommt die Wald-Föhre (Pinus sylvestris) zurecht. Diese Baumart ist sehr anpassungsfähig und besetzt im Wald Standorte, die sowohl tendenziell trocken und nährstoffarm oder feucht und nährstoffärmer sind. An den trockenen Stellen konnten die Teilnehmenden auch einige Exemplare der Echten Goldrute (Solidago virgaurea) entdecken. Die einzige einheimische Goldruten-Art hat weniger, aber dafür grössere Blütenköpfe als die eingewanderten Verwandten, sie erreicht auch nur 50 bis 80 cm Wuchshöhe und steht bevorzugt im Schatten. Damit wird sie auch schon mal leicht übersehen, obwohl sie häufig in Schweizer Wäldern zu finden ist.

Einen weiteren Lebensraum, den die Gruppe genauer betrachtete, ist der kalkreiche Schlagflur, auch Atropion belladonnaegenannt. Der Fachbegriff verweist schon auf eine Charakterart, die sich imposant an den Waldwegen präsentiert. Die Tollkirsche (Atropa belladonna).   Ihr botanischer Gattungsname geht auf die Unheil-Göttin Atropos zurück. Es ist eine der Moiren, die den Lebensfaden durchschneidet. Also Obacht: Die verführerischen schwarzen Früchte der Tollkirsche sind giftig! Atropin heisst der Wirkstoff, der je nach Dosis tödlich sein kann. In der Heilkunde wird er auch zum Vergrössern der Pupille eingesetzt, dieser Effekt ist seit langem bekannt, daher auch der Hinweis auf die Bella donna, die schöne Frau mit ausdrucksvollen Augen.

Ebenfalls giftig sind die Früchte des Zwerg-Holunders (Sambucus ebulus), der auch im Atropin gedeiht. Im Gegensatz zum Schwarzen Holunder (Sambucus nigra) verholzt er nicht. Der Zwerg-Holunder ist eine Staude, deren Triebe im Spätherbst eingehen und deren Wurzeln im Winter in Bodennähe die kalte Jahreszeit überdauern, um dann jedes Jahr von Neuem in einem beachtlichen Tempo in die Höhe zu schiessen und beachtliche Stauden zu bilden.

Neben den Beständen des Zwerg-Holunders entdeckten wir Flächen, auf denen sich der Adlerfarn ausgebreitet hat. Er profitiert vom Anbau der Fichten. Der Adlerfarn ist die grösste Farn-Art in Europa. Sehr gut erkennbar da er mehrfach gefiedert ist. Er mag saure Böden. Auf mageren, moorigen Böden (Hemberg) oder in Alpweiden (Calanda), die zu wenig beweidet werden (trittempfindlich), kann er invasiv einwachsen. Adlerfarn bildet selten Sporen aus, er vermehrt sich stattdessen vegetativ durch Ausläufer.

Eibenförderung am Hulmen

Die Europäische Eibe (Taxus baccata) ist seltener geworden. Die junge Bäume werden gerne vom Rotwild verbissen. Für Pferde und Menschen sind alle Pflanzenteile mit Ausnahme des roten Mantels der Früchte (Scheinbeeren) giftig. Früher wurde das zähe, elastische Holz für Langbögen verwendet.

Im Gebiet Hintertobel am Hulmen-Südhang entdeckten die Winti Scouts unter anderem die Wasser-Minze (Mentha aquatica) und die Wilde Brustwurz (Angelica sylvestris). Zum Abschluss der Exkursion vermittelten die beiden Exkursionsleiterinnen interessante Informationen zum Echten Mehlbeerbaum (Sorbus aria). Diese wärmeliebende Baumart ist verwandt mit der Vogelbeere (Sorbus aucuparia). Früher verwendete man die gemahlenen Früchte als Streckmittel im Mehl.

Schlagwörter
EibenHochstaudenflurenHulmenKulturpflanzenLichter Wald

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